Verschiedenes

Warum die Linksfraktion Steglitz-Zehlendorf für einen Rückkauf/Ankauf des Steglitzer Kreisels durch das Land Berlin ist

Dennis Egginger-Gonzalez

Zuerst: Ein Rückkauf des Turmes und Ankauf des Sockels, um u. a. bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wäre kompliziert und teuer. Das wissen wir. In der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 23.2.2022 hat Stadtrat Karnetzki von der SPD spekuliert, eine fertige Wohnung im Kreisel könnte den Berliner Senat am Ende bis zu 9000 Euro pro Quadratmeter kosten. Das war eine grobe Schätzung und u.a. aufgrund dieser Überlegung lehnte er einen Rückkauf/Ankauf ab. Dieser Einschätzung schlossen sich alle Fraktionen bis auf uns an.

Die Linksfraktion hält die Kritik an unserer Forderung aus mehreren Gründen für zu kurz gedacht:

  1. Nur ein Rückkauf/Ankauf des gesamten Gebäudekomplexes ist geeignet, die jahrzehntelangen Spekulationen zulasten der Steuerzahler:innen nachhaltig zu beenden.
  2. Nur so kann sichergestellt werden, dass im Kreisel bezahlbare Wohnungen und Flächen für die Allgemeinheit entstehen.
  3. Das Gebäude ist aufgrund seiner zentralen Lage und ausgezeichneten Anbindung einzigartig. Es könnte in Zukunft sowohl Wohnungen als auch Flächen für Kultur, Soziales und die Verwaltung enthalten und damit auf einen Streich sehr viele Probleme des Bezirkes lösen. Diese einzigartige Chance muss man mitbedenken, wenn man den Preis als zu hoch erachtet!
  4. Kein Mensch braucht weitere Luxuswohnungen im Bezirk: Dafür den Kreisel zu nutzen, ist schlicht eine Verschwendung von Ressourcen.
  5. Zurzeit leben noch rund 25 Mieter:innen im Steglitzer Kreisel. Diese Menschen könnten nach dem Umbau des Gebäudes durch das Land Berlin weiter an dem Ort verbleiben, an dem sie teilweise seit 30 Jahren leben.
  6. Mit dem Rückkauf würde das Land Berlin zukünftig dauerhaft Einnahmen erzielen: Gerade das Sockelgebäude mit seinen Gewerbeflächen war trotz der Skandalgeschichten stets lukrativ.
  7. Die Übernahme des Kreisels böte zudem die Chance des ökologischen Bauens.
  8. Aus der Geschichte des Steglitzer Kreisels wird ersichtlich, dass es Zeit für ein Ende mit Schrecken ist.

Der Pleite-Kreisel - Synonym für Skandale und Korruption
Der Steglitzer Kreisel war von Anfang an eine Wohlfühloase für unseriöse und auch korrupte Spekulant:innen aus Privatwirtschaft, Politik und Verwaltung.
Alles fing damit an, dass die bestens in die Berliner Politik vernetzte Baulöwin Sigrid Kressmann-Zschach sich genau das Grundstück sicherte, unter dem die U-Bahnlinien 9 und 10 enden sollten: Ein Faustpfand, den sie in Bargeld verwandeln wollte. Das private Interesse zielte von Beginn an auf den Bau eines Hochhauskomplexes.
1968 begann der Bau des Gebäudekomplexes, der 1974 wieder eingestellt wurde. In der Zwischenzeit waren die Kosten explodiert und die Bauträgerschaft pleite, obwohl der Berliner Senat sich mehr als ordentlich am Projekt beteiligt hatte. Es folgten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sowie ein Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Am Ende gab es nur einige Rücktritte und eine Suspendierung. Für die Steuerzahler:innen ging die Sache weniger glimpflich aus: Schon damals haftete das Land Berlin mit 42 Millionen D-Mark, die aufgebracht werden mussten.
Überlegungen kamen auf, die Bauruine zu sprengen. Und tatsächlich wäre diese Entscheidung unter dem Strich vergleichsweise günstig für die Berliner:innen gewesen. Es kam jedoch anders und 1977 wurde das Gebäude vom privaten Investor „Becker und Kries“ für ca. 30 Millionen D-Mark ersteigert und bis 1980 für knapp 100 Millionen D-Mark vollendet.
Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf hatte dem Investor garantierte Mieteinnahmen für das gesamte Hochhaus auf die Zeit von zehn Jahren versprochen. Die Mietpreise waren zu hoch, die Mieter:innen blieben aus und so zog das Bezirksamt selbst ein.Nach Ablauf der 10 Jahre kaufte der Bezirk das Hochhaus für 67 Millionen D-Mark. Der profitable Sockel mit Gewerbe etc. hingegen blieb bei „Becker und Kries“.
Bereits vor dem Kauf des Turms waren erste Gerüchte aufgekommen, die dann auch bald amtlich wurden: Der Steglitzer Kreisel war asbestverseucht.
Es folgten Gutachten auf Gutachten und 2007 der Auszug des Bezirksamtes. Der Senat zahlte fortan jedes Jahr (!) für den Leerstand bis zu 700.000 Euro und dann fast 20 Millionen für die Asbestsanierung.

Eigentümer:innenwechsel: Vom Protzmillionär zur Adler-Gruppe
2015/16 kaufte die CG-Gruppe des Protzmillionärs und CDU-Großspenders Christoph Gröner in zwei Schritten den Sockel und den Turm für zusammen ca. 66 Millionen Euro.
Der Rest der Geschichte ist bekannt: Herr Gröner wollte sich für eine mittlere dreistellige Millionensumme ein Denkmal bauen und am liebsten auch gleich alles um den Kreisel mitbestimmen (zum Beispiel die Gestaltung des Hermann-Ehlers-Platzes). Ende dieses Jahres(also 2022!) sollte der Turm mit 330 Eigentumswohnungen zu Quadratmeterpreisen von zuletzt zwischen 5.500 und bis zu 20.000 Euro fertig sein. Stattdessen steht dort nur ein Stahlskelett.
Und das kam so: Herr Gröner wurde von Immobilienriesen „Consus Real Estate“ geschluckt und in dessen Aufsichtsrat übernommen. Kurz darauf kam gleich der nächste Immobilienhai: die „A.D.O Properties“. Diese übernahm die Kontrolle über „Consus Real Estate“. Zeitgleich war man in Verhandlungen, sich mit „Adler Real Estate“ zur viertgrößten börsennotierten Wohnimmobilien-Spekulations-Gesellschaft in Europa zu verschmelzen und so landete der Steglitzer Kreisel bei der Adler-Gruppe.
Die Steuerzahler:innen verdienten an diesen Übernahmeschlachten der Immobilienriesen selbstverständlich kein Geld – alles lief stets als sogenannter Share Dealab.
Kürzlich dann kamen Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten bei der Adler-Gruppe auf. Passend dazu legte der Wirecard-Skandal-Aufdecker Fraser Perring einen Bericht vor, wonach die „Adler-Gruppe“ darauf ausgelegt sei, gut laufende Unternehmen zu übernehmen, sie mit Schulden zu belasten und auszuhöhlen.

Und damit sind wir in der Gegenwart und beim geplanten Verkauf des Sockelgebäudes durch die „Adler-Gruppe“ angekommen: Die neueste Neuigkeit ist, dass die börsennotierte Wohnungskrake „Vonovia“ mittlerweile 20,5% der Aktienanteile der „Adler-Gruppe“ besitzt. Gehört der Kreisel bald der Vonovia?
Was bei den zahlreichen Eigentümer:innenwechseln meistens übersehen wird: Im Sockel des Steglitzer Kreisels befinden sich 70 Wohnungen und es wohnen noch etwa 25 Mieter:innen dort. Sie sind genau wie die Gebäude in den Augen der Investoren nur Verhandlungsmasse. Die ehemalige CDU-Bezirksbürgermeisterin Richter-Kotowski hat sich auf die Zusage von Herrn Gröner verlassen, eine „einvernehmliche Lösung“ für die Mieter:innen zu finden. Wie die aussehen soll, wurde nicht vereinbart und kontrolliert wurde die Zusage bis heute offensichtlich auch nicht.

Bezahlbarer Wohnraum statt Luxuswohnungen
Wenn man – anders als die Bezirkspolitik bisher – den Fokus auf die Mieter:innen legt, wird ganz schnell offensichtlich, dass die Pläne der Finanzmarktspekulanten komplett am Bedarf vorbeigehen. Niemand benötigt heute in Steglitz-Zehlendorf weitere 330 Luxuswohnungen. Was hier und im Land Berlin unter anderem fehlt, sind bezahlbare und barrierefreie Wohnungen!
Aber so etwas wollen Spekulant:innen nicht, denn so etwas schmälert die Gewinne. Gewinne, die - ganz anders als die Pleiten und Skandale rund um den Steglitzer Kreisel - privatisiert werden sollen. Und so ist der Steglitzer Kreisel in seiner Geschichte und seiner Gegenwart ein gutes Beispiel dafür, dass das Mantra vom „Bauen, Bauen, Bauen“ genau dann falsch ist, wenn es börsennotierte Finanzkraken mit meint. Die können nicht am Gemeinwohl orientiert bauen und die wollen das auch nicht.
Jetzt ist es nach circa 60 Jahren Dauerskandal am Steglitzer Kreisel an der Zeit, diese Spekulationsblase zu durchbrechen. Im Herzen von Steglitz ist vieles möglich, was die Menschen im Bezirk dringend brauchen: Raum für günstiges Wohnen, Soziales und Kultur. Der Kreisel könnte zudem wegweisend bei der Weiter-Entwicklung des ökologischen Bauens in Berlin sein. Das alles unter ein Dach bringen kann nur das Land Berlin und kein privater Investor. Deswegen sind wir für den Rückkauf/Ankauf von Sockel und Turm – auch wenn der Preis dafür auf den ersten Blick hoch erscheint.