Bericht von der Oktober-Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung

+++„Im Südwesten nichts Neues“+++Kein Klimagutachten für Großbauprojekt Lichterfelde Süd+++Großes Unwissen beim Thema Hitze und wenig Herz beim Thema Kälte+++„Neuland“ ist abgebrannt: Weiterhin keine digitalen Sitzungen und Übertragungen der BVV+++Rederecht für Senior*innenvertretung unerwünscht!+++Kein Erhalt des Erhaltungsgebietes Lichterfelde Ost+++

Bedingt durch die Herbstferien kommt unser BVV-Bericht etwas verspätet. Die Sitzung am 14. Oktober lässt sich leider mit den Worten „Im Südwesten nichts Neues“ zusammenfassen. Angesichts der teilweise sehr wichtigen Themen ist dies allerdings alles andere als erfreulich. Kenner*innen der Bezirkspolitik in Steglitz-Zehlendorf wissen: CDU und Grüne arbeiten seit 14 Jahren mit mangelnden Elan, Intransparenz und nicht selten großer Arroganz. Wir erleben es immer wieder, wie engagierte Menschen der Bezirkspolitik verärgert und enttäuscht den Rücken kehren. Das ist tragisch, den Leuten aber kaum zu verübeln. Wer lässt sich schon gerne vom eigenen Bezirksamt belehren, dauerhaft vertrösten oder mit halbseidenen Antworten abkanzeln?

Glücklicherweise gibt es auch Bürger*innen, die sich trotzdem nicht vergraulen lassen, sondern beharrlich Fragen in der Bürger*innensprechstunde stellen und eigentlich selbstverständliche Umgangsformen einfordern. So zum Beispiel die Sprecherin der MieterInnen Südwest. Sie hat nach der letzten BVV-Sitzung ihre Erfahrungen der letzten Jahre in einem Offenen Brief formuliert, den wir hier mit ihrer Erlaubnis und ohne weitere Kommentierung nachdrucken:

Sehr geehrte Frau Richter-Kotowski, sehr geehrter Herr Rögner-Francke,

seit unser Bezirk – wohl als letzter der Berliner Bezirke – 2006 eine „Einwohnerfragestunde“ einrichtete, die ich als erste Teilnehmerin nutzen durfte, bemühe ich mich als Sprecherin einer Mieterinitiative (damals „Mieterinitiative Onkel-Tom-Siedlung“, später „MieterInnen Südwest“), Fragen nach bezirklichen Lösungsoptionen für die wachsenden sozialen Wohnungsprobleme zu stellen. - Eine Thematik, der sich unser Bezirk nicht gern widmete und auch heute noch lieber vermeidet – trotz der noch immer ca. 72 % zur Miete wohnender Bewohner*innen.

Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass jetzt nach fast 15 Jahren die Mehrheit der Bezirksverordneten einem Antrag der CDU für vertiefende Untersuchungen zur Ausweisung einiger Milieuschutzgebiete zugestimmt hat, allerdings mit nachfolgendem Hinweis des CDU-Fraktionsvorsitzenden auf deren Wirkungslosigkeit. Diesem widersprüchlichen Kommentar des Antragsstellers können wir nur zustimmen; denn wo politischer Wille zur Durchsetzung fehlt, kann Milieuschutz nicht wirken.

Eigentliches Thema dieses Schreibens ist allerdings nicht die mühevolle Sisyphusarbeit von uns „MieterInnen Südwest“ um die Erhaltung einer sozialen Mischung der Einwohner*innen im Bezirk. Vielmehr geht es hier um den Umgangsstil in der Einwohnerfrage“stunde“.

Insbesondere bei wohnungspolitischen Fragestellungen entsteht oft der Eindruck, sie seien eine lästige Zumutung, die dementsprechend schmallippig und manchmal gar nicht beantwortet werden. Schon beim schriftlichen Einreichen der Fragen werden zweckdienliche Erklärungen, geschweige denn dezente Kritik vom Vorsteher der BVV gefiltert und nicht genehmigt, der auch streng und schulmeisterlich jede/n rügt, der vom vorgeschriebenen Verhaltenskodex abweicht, Missfallens- und Zustimmungsäußerungen seitens des Publikums inklusive. Das schreckt immer wieder Zuhörer ab und mindert bedauerlicherweise das Interesse an diesen Sitzungen. Hier gäbe es erheblichen Nachbesserungsbedarf in puncto Bürger*innennähe. Denn diese Beobachtungen sind nicht meiner persönlichen Empfindlichkeit geschuldet, sondern entsprechen einer im Laufe der Jahre von vielen frustrierten Zuhörern geteilten Wahrnehmung.

Uns „MieterInnen Südwest“ werden Sie jedenfalls mit unserem Einsatz für faire Wohnbedingungen und soziale Gerechtigkeit weiter ertragen müssen. – Aber demnächst sind ja wieder Wahlen und da begegnet man ohnehin uns „mündigen“ Bürger*innen wieder mit Aufmerksamkeit und dem gebührenden Respekt.

Mit freundlichen Grüßen

Barbara v. Boroviczeny

MieterInnen Südwest“

Kein Klimagutachten für Großbauprojekt Lichterfelde Süd

Dass der Bau von 2500 Wohnungen in der Lichterfelder Weidelandschaft nicht ohne massive Einwirkungen in die Natur möglich ist, sollte allgemein bekannt sein.

Allerdings sind Expert*innen in der Lage, beispielsweise Auswirkungen auf sogenannte Kaltluftschneisen frühzeitig zu erkennen. Durch das geplante Großbauprojekt drohen insbesondere die Thermometersiedlung, aber auch Teile der Innenstadt, von der Zufuhr kalter Luft abgeschnitten zu werden. Steigende Temperaturen im Sommer sind aber für ältere und kranke Menschen eine große Belastung und Gefährdung – das Thema ist allein deswegen sehr wichtig.

Die Prioritäten von CDU und Grünen in Lichterfelde Süd sind jedoch anders gelagert: Beide Parteien wollen dem Großinvestor (der auch CDU-Mitglied und Großspender der Partei ist) alle Unannehmlichkeiten aus dem Weg räumen. Der Antrag der SPD-Fraktion auf ein Klimagutachten wurde daher wenig überraschend von Schwarz-Grün abgeräumt. Dass dabei kein Argument absurd genug sein kann, zeigte der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Er behauptete zum wiederholten Male, seine Partei hätte sichergestellt, dass durch die Bebauung und Versiegelung der ehemaligen Parks Range ganz viel für den Umweltschutz getan worden sei (tatsächlich wird eine prächtige und über 30 Jahre gewachsene Spontanvegetation für überwiegend teure Eigentumswohnungen zerstört).

Anschließend stellte der Fraktionsvorsitzende der Grünen die Frage, ob jemand einen Fluss kennen würden, der nicht seinen Weg findet? Er zumindest kenne keinen - und so werde auch „die Luft um die Ecke kommen“ und ihren Weg finden.

Wir lassen das hier so stehen, sind uns aber sicher: Alle Physikbücher müssen aufgrund dieser neuen Erkenntnisse umgeschrieben werden.

Großes Unwissen beim Thema Hitze und wenig Herz beim Thema Kälte

Einige Tage vor Beginn der Kältehilfesaison, die in anderen Bezirken bereits zum 1. Oktober begonnen hat, steht fest, dass es in Steglitz-Zehlendorf im Winter 2020/21 nur 18 statt der ohnehin knapp bemessenen 30 Plätze geben wird. Die 18 Plätze (bei über 300.000 Einwohner*innen!) werden erneut draußen am Wannsee in der Bergstraße 4 eingerichtet. Unsere Forderung, mindestens einen weiteren Standort für eine gut zu erreichende Kältehilfe-Einrichtung zu suchen und zur Verfügung zu stellen, scheiterte erneut an der schwarz-grünen Mehrheit.

Der Tagesspiegel hat zu dieser unsozialen Politik sehr deutliche Worte gefunden! (Hier geht es zum Beitrag)

Damit nicht genug: CDU und Grüne lassen sich auch nicht in die Karten schauen, was ihre sozialpolitischen Aktivitäten anbelangt. Eigentlich ist das nicht verwunderlich: Wer will schon seine Untätigkeit und Unfähigkeit bei einem so wichtigen sozialpolitischen Thema der Öffentlichkeit darstellen?! Seit Jahren tut sich das schwarz-grün geführte Bezirksamt schwer, für wohnungslose und obdachlose Menschen Schutzräume, Einrichtungen und Infrastruktur anzubieten – angeblich fehlt es an geeigneten Räumen. Wir fragen uns: Wozu braucht es einen Sozialstadtrat der C(!)DU, der sich um die Ärmsten unserer Gesellschaft kaum kümmert?

Unsere beiden abgelehnten Anträge:
„Kältehilfe zentral und öffentlich“

„Versorgung wohnungsloser Menschen in Steglitz-Zehlendorf zur Chef*innen-Sache machen!“

Neuland“ ist abgebrannt: Weiterhin keine digitalen Sitzungen und Übertragungen der BVV

CDU und Grüne stimmten bei diesem Thema erneut gegen die gesamte Opposition. Die Gegenargumente von Schwarz-Grün sind aufgebraucht und werden mit den Jahren auch nicht besser. Wir hatten bereits im Bericht zur September-BVV etwas darüber geschrieben. Es bleibt weiterhin unerklärlich, warum digitale Ausschüsse (wie zum Beispiel in Marzahn-Hellersdorf) und eine Übertragung der BVV ins Internet (wie in vielen anderen Bezirken) in Steglitz-Zehlendorf unmöglich sein sollen.

Das Kostenargument von CDU und Grünen ist an den Haaren herbeigezogen. Und falls einige Tausend Euro für eine richtige Bürger*innenbeteiligung aus Sicht von CDU und Grünen tatsächlich zu viel Geld sind, sei die Frage erlaubt, was der Zählgemeinschaft eine transparente und bürger*innenfreundliche Politik überhaupt wert ist.

Wenn die 55 Verordneten der BVV Steglitz-Zehlendorf jeden Monat ca. 30 Euro (das ist die Entschädigung für die Teilnahme an den BVV-Sitzungen) ihrer erst kürzlich deutlich gestiegenen Aufwandsentschädigung abgeben würden, könnten die Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung für die Steuerzahler*innen sogar kostenneutral übertragen werden. So viel zum Kostenargument!

Rederecht für Senior*innenvertretung von Schwarz-Grün in Steglitz-Zehlendorf nicht gewünscht!

Die Senior*innen sind in Steglitz-Zehlendorf die größte Bevölkerungsgruppe. Ihre spezifischen Bedarfe und Anliegen werden durch die von ihnen gewählte Senior*innenvertretung in die bezirkliche Politik transportiert. Dazu bedarf es der Möglichkeit, diese Anliegen auch zu artikulieren. In den meisten Fachausschüssen der BVV Steglitz-Zehlendorf ist das auch kein Problem. Im Stadtplanungsausschuss allerdings verweigert der Vorsitzende der Senior*innenvertretung regelmäßig das Rederecht. Wir haben deswegen den Antrag „Rederecht für Vertreter*innen der Senior*innenvertretung in allen öffentlich tagenden Ausschüssen der BVV Steglitz-Zehlendorf“ eingebracht. Auch er wurde von der Zählgemeinschaft abgelehnt. Statt die Senior*innen als Expert*innen für ihre Themen zu begreifen, werden sie bei uns einfach ignoriert! Schwarz-Grün agiert auch an dieser Stelle bürger*innenfeindlich. Die Einbeziehung der Senior*innenvertretung bleibt in Steglitz-Zehlendorf vergleichsweise weit hinter dem Wünschenswerten und Sinnvollen zurück.

Zum Abschied zwei Links

1) Unsere Pressemitteilung „Kein Erhalt des Erhaltungsgebietes Lichterfelde Ost“https://kurzelinks.de/t2w7 u

2) Der Newsletter des Tagesspiegels, der ebenfalls ausführlich über die letzte BVV-Sitzung berichtet hat: https://kurzelinks.de/4c31

Bleiben Sie gesund!