BVV-Bericht vom 22.6.2022

Erste BVV-Sitzung in Präsenz +++ Linksfraktion kämpft weiter für mindestens 100 weitere Soziawohnungen in Lichterfelde Süd +++ Schulantenne auf dem Arndt: Schulstadträtin rudert nach massivem Druck zurück +++ Partnerschaft für Demokratie kommt! +++ Zählgemeinschaft beklatscht sich selbst – den Frust haben andere! +++ Hitzehilfe – zuständig sind immer die anderen +++

Erste BVV-Sitzung in Präsenz in diesem Jahr und letzte vor der Sommerpause!

Es war trotz offener Fenster heiß und stickig im Bürgersaal des Rathaus Zehlendorf und einige Gäste und Bezirksverordnete trugen dazu noch Maske. Aber der Debatte und dem Umgang miteinander hat es unseres Erachtens gutgetan, dass man sich in die Augen schaute und nicht nur auf eine digitale Kachel.

Umsetzung des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung beim Neubaugebiet in Lichterfelde Süd

Als einzige Fraktion fordert die Linksfraktion die konsequente Umsetzung des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung beim Neubaugebiet in Lichterfelde Süd (Drs. 0168/VI) und somit den Bau von 30 % statt 25 % Sozialwohnungen. Diese 5 % Unterschied bedeuten faktisch 100 Sozialwohnungen mehr oder weniger. Trotzdem lehnten CDU, Grüne, SPD, FDP und AfD unseren Antrag für mehr bezahlbaren Wohnraum ab!

Und nicht nur das: Angeblich wussten die Grünen am 31.7.2018, als der Vertrag mit dem Großinvestor unterschrieben wurde, nichts davon, dass ab dem 1.8.2018 ein neues Gesetz in Berlin gelten würde, in dem die 30%-Regelung bei Neubau festgeschrieben wurde. Dazu muss man zwei Dinge wissen: Die Grünen waren 2018 Teil des Senats, also Regierungspartei und sie waren vor allem auch Teil der schwarz-grünen Zählgemeinschaft in Steglitz-Zehlendorf. Der damalige Fraktionsvorsitzende, der sich an nichts erinnern konnte oder wollte, war personenidentisch mit dem heutigen Fraktionsvorsitzenden.

Die SPD-Fraktion, die noch bis kurz vor der Wahl 2021 klare sozialpolitische Positionen hinsichtlich der Entwicklung in Lichterfelde Süd bezogen hat, bietet als Ausrede für ihre politische 180-Grad-Wende nur das Argument an, dass die Verträge nun einmal gemacht seien. Dabei weiß es auch die SPD besser: Der Städtebauliche Vertrag wird aktuell nachverhandelt und die Festlegung, was konkret gebaut wird, erfolgt erst mit der Festschreibung des Bebauungsplans. Letzterer aber liegt erst im Entwurf vor. Er muss noch der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben werden und es können noch Einsprüche erhoben und Klagen gegen den Entwurf eingebracht werden. Wer jetzt so tut, als sei in Lichterfelde Süd alles in Sack und Tüten, will den Bürger*innen Sand in die Augen streuen.

Abgelehnt wurde in der letzten BVV auch ein Antrag von uns, der verhindern wollte, dass fast 90% der Sozialwohnungen in den besonders lärmbelasteten Arealen des Neubaugebietes entstehen (Drs.) - denn so ist es bisher geplant. Alle anderen Fraktionen haben damit kein Problem, dass bei 7 von 8 Gebäuden die Sozialwohnungen sozusagen als Schallschutzwände für die Einfamilien- und Reihenhäuser dienen bzw. direkt an Straßen und Schienen stehen sollen.

Keine Mobilfunkantenne auf dem Turm des Arndt-Gymnasiums!

Wunderbar zu sehen, dass öffentlicher Druck tatsächlich etwas bewirken kann: Hatte die ehemalige Bezirksbürgermeisterin und jetzige Schulstadträtin noch im Schulausschuss am 7.6.2022 den Bau der Antenne gegen den Willen der Schule, Eltern- und Schüler*innenschaft verteidigt, musste sie nun zurückrudern. Der Arndt-Oberschule war es innerhalb von wenigen Wochen gelungen, rund 1500 Unterschriften für einen Einwohner*innenantrag zu sammeln, der sich klar gegen die Pläne des Bezirksamtes ausspricht. Da es auch in der BVV viele ehemalige „Arndter“ gibt, musste Frau Richter-Kotowski (bestimmt auch auf Druck aus der eigenen Partei) ihre Entscheidung revidieren. Hätte die Schulstadträtin früher mit der Schulgemeinschaft gesprochen und nicht versucht, Fakten zu schaffen, wäre ihr Rückzieher überhaupt nicht nötig gewesen. Der allerdings kam gerade noch rechtzeitig: Die AfD war bereits dabei, das Thema für sich auszuschlachten. Die Butter ist ihnen nun vom Brot genommen! Im Gegensatz zum nun folgenden Beispiel...

Partnerschaft für Demokratie kommt!

Bei der Debatte zu diesem Antrag, den die AfD auf die Aussprache gesetzt hat, um ihre immer schärfer werdenden antidemokratischen Reden zu schwingen, ermöglichte erst die Antwort aus den Reihen der SPD eine erneute Meldung und eine Replik des AfD-Fraktionsvorsitzenden – die Bühne war geebnet, die Butter angereicht. Kann man machen, muss man aber nicht.

Die Linksfraktion hat bewusst auf eine Rede zu diesem Tagesordnungspunkt verzichtet, obwohl es unser Antrag ist. Es ist unser Erfolg, dass Steglitz-Zehlendorf nun als letzter Berliner Bezirk nachzieht und Bundesmittel für ein Projekt gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und für Partizipation und Beteiligung abruft!

Ferdinand-Markt

Wie ist der Status quo beim Ferdinand-Markt in Lichterfelde Ost?“ lautete eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (Drs. 0276/VI). Mit gleich sechs Bauanträgen, die sich teilweise ergänzen oder widersprechen, beschäftigt Investor Huth seit Jahren das Bezirksamt. Stadtrat Karnetzki sagte, der Investor wisse sicherlich, was er vorhabe, lasse über die genauen Pläne das Bezirksamt aber im ungewissen. „Kann ein Investor beliebig viele Anträge stellen und Nebelkerzen zünden?“, wollte die Linksfraktion daraufhin wissen. „Ja“ lautet die Auskunft des Bezirksamtes. Die Anträge kosten zwar eine Gebühr, aber diese dürften für einen Investor wie Huth kein Problem darstellen.

Wir kritisieren weiterhin die Schließung des Ferdinand-Marktes und die Baupläne des Investors. Zahlreiche ehemalige Marktbetreiber wurden bereits verdrängt und vielen kleinen Gewerbetreibenden im Kiez droht das gleiche Schicksal.

Unser Kleine Anfrage Kein Platz mehr für radioaktiven Abfall am Forschungsreaktor - wie geht’s weiter?" konnte aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden und wird schriftlich beantwortet.

Missbilligung – gegen wen eigentlich?

Die CDU-Fraktion versucht es seit mehreren Monaten: Die neue Bürgermeisterin soll (alleine!) verantwortlich sein für die finanzielle Misere des Bezirks. Entsprechend lautet der Antrag „Missbilligung der Amtsführung der Bezirksbürgermeisterin mit einem Schaden von 2,7 Mio Euro für den Bezirk“.

Diskussion und Beweisführungen sowie die gegenseitigen Beschuldigungen von CDU, SPD und Grünen sind erstaunlich. Denn auch hier hat das Erinnerungsvermögen einiger Verordneter mit der Bildung einer neuen Zählgemeinschaft allem Anschein nach erheblich gelitten.

Selbst wenn der Vorwurf, dass Gelder, die hätten ausgegeben werden können und müssen, nicht ausgegeben wurden, was in der Konsequenz ein Weniger im jetzigen Haushalt bedeutet (es würde den Rahmen sprengen, dies hier zu erläutern), so bleiben folgende Sachverhalte für die Bewertung der CDU-Vorwürfe relevant: Die jetzige Bürgermeisterin Schellenberg war in der letzten Legislatur Stadträtin für u. a. Hochbau. Die jetzige Schulstadträtin Richter-Kotowski war bis 2021 Bürgermeisterin. Beide waren Teil einer schwarz-grünen Zählgemeinschaft (die es in Steglitz-Zehlendorf von 2006 bis 2021 gab) und des Bezirksamtes, wo CDU und Grüne drei von fünf Mitgliedern stellten.

Für den Haushalt und die Finanzwirtschaft im Bezirk ist heute wie damals die Bürgermeisterin zuständig. Da sich der Antrag der CDU auf die letzte Legislatur bezieht, greift er letztendlich die damalige CDU-Bürgermeisterin an, obwohl er sich eigentlich gegen die jetzige von den Grünen richten soll. Es geht scheinbar nur darum, mit Dreck auf andere zu werfen, mit denen man vor einem Jahr noch im gleichen Boot war.

Am Ende wurde die Missbilligung mit den Stimmen der Zählgemeinschaft und der Linksfraktion verhindert. Reichlich unsensibel zeigte sich die Zählgemeinschaft, als sie sich für die Ablehnung heftig selbst beklatschte: Die abgelehnte Missbilligung ändert nämlich nichts daran, dass der Bezirkshaushalt für 2022/2023 eine Katastrophe ist und wir noch mehr sparen müssen. Er ändert auch nichts an dem überwiegend schlechten Zustand der Schulen im Bezirk und daran, dass Steglitz-Zehlendorf den größten Schulsanierungsstau aller Berliner Bezirke hat.

Wir werden an diesen Themen dranbleiben. Und für uns steht fest, dass die verantwortlich sind, die die Verantwortung getragen haben – nach 15 Jahren Zählgemeinschaft sind das vor allem CDU und Grüne.

Kleine Anfrage zu Hitzehilfe und lauwarme Antworten

Auf die Frage der SPD, inwiefern sich das Bezirksamt in Bezug auf eine Wärmehilfe/Hitzehilfe für obdachlose Menschen in Steglitz-Zehlendorf eingestellt habe, antwortet der Sozialstadtrat der CDU mit Verweis auf die gute Versorgung mit öffentlichen Trinkbrunnen im Bezirk und den Schattenflächen, die der Bezirk zu bieten habe – beides werde über Flyer und Socialmedia an die Betroffenen kommuniziert. Zudem verteile ein freier Träger, der Straßenarbeit anbietet, bereits Sonnencreme – die Kosten würden über Spenden und Lotto-Mittel getragen. Der Bezirk habe keine finanziellen Mittel für so etwas – aber wenn der Senat dafür Mittel zur Verfügung stellen würde, dann könnte man…Ansonsten sei die Hitzehilfe wie auch die Kältehilfe ein gesamtstädtisches Problem.

Ja, stimmt: gesamtstädtisch! Und der Bezirk ist ein Teil der gesamten Stadt und der Sozialstadtrat zuständig! Wir fragen uns, ist das schon Zynismus oder noch Einarbeitungszeit?

Zudem wurden letzten Mittwoch nochfünf Anträge der Linksfraktion beschlossen:

Jetzt ist Sommerpause. Die nächste BVV findet am 14. September statt. Die Ausschüsse der BVV pausieren auch in den Schulferien.