Wie geht es weiter mit der Bezirkspolitik in Steglitz-Zehlendorf und wo klemmt es?

Seit drei Wochen ruhen die Bezirksverordnetenversammlung und ihre Ausschüsse. Im Hintergrund wird überlegt, ob und wie die Arbeit im April fortgesetzt werden kann. Nun liegt ein Vorschlag der FDP-Fraktion vor (siehe unten), der von der Linksfraktion unterstützt wird. Doch vermutlich werden CDU, Grüne und AfD auch diesmal eine transparente und bürger*innenfreundliche Lösung ablehnen.

SPD-, FDP- und Linksfraktion haben sich in dieser Legislaturperiode schon mehrfach mit (gemeinsamen) Anträgen für mehr Transparenz und Bürger*innenbeteiligung in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf eingesetzt.
So haben z. B. genau vor einem Jahr CDU, Grüne und AfD einen Antrag von FDP- und Linksfraktion für eine Übertragung der BVV-Sitzungen im Internet abgelehnt (Link zum Antrag weiter unten).

Gestern berichtete Boris Buchholz im Newsletter des Tagesspiegels über die Situation im Bezirk und den neuen Vorstoß der Opposition angesichts der Corona-Krise. Er schreibt:

"Die BVV als Videokonferenz? Die Debatte der Lokalparlamentarier als Stream im Internet? Es wäre zeitgemäß und würde die bezirkliche Demokratie krisen- und coronasicherer machen. Allerdings hat es die Verwaltung im Rathaus Zehlendorf bisher noch nicht einmal geschafft, im Sitzungssaal ein funktionierendes WLAN einzurichten (von immer wieder auftretenden Macken der Tonanlage ganz zu schweigen)."

Leider hat Herr Buchholz nicht erwähnt, dass es auch zur dauerhaft defekten Tonanlage bereits Anträge der Opposition gab (siehe unten). Auch diese wurden von der schwarz-grünen Mehrheit abgelehnt.
Die Mängelliste ist lang und es ist unmöglich, dass es sich dabei nur um Wurstigkeit von CDU und Grünen handelt. Vielmehr ist ein Muster zu erkennen, welches noch deutlicher wird, wenn man die BVV Steglitz-Zehlendorf mit anderen BVVen (zum Beispiel mit der in Kreuzberg) vergleicht:

  • Die Tonanlage im BVV-Saal Zehlendorf ist defekt und macht es Menschen mit einer Höreinschränkung fast unmöglich, die Sitzungen zu verstehen. Das Problem ist seit Jahren bekannt und wird einfach ignoriert.
  • Im BVV-Saal gibt es kein WLAN, was den Verordneten und der Presse die Arbeit erschwert.
  • Das Abstimmungsverhalten wird in der BVV Steglitz-Zehlendorf weder nach Verordneten, noch nach Fraktionen festgehalten. Im System wird nur vermerkt, ob ein Antrag angenommen oder abgelehnt wurde.
  • Es gibt keine öffentlichen Audioprotokolle der BVV. Selbst Fraktionen erhalten seit Monaten keine Aufzeichnungen mehr und müssen teure Wortprotokolle in Auftrag geben, wenn sie einen Tagesordnungspunkt oder einzelne Redebeiträge nachvollziehen möchten.
  • Während in anderen Bezirken der FahrRat (eingeführt im Rahmen des Mobilitätsgesetzes) öffentlich tagt, hat die Stadträtin der Grünen in Steglitz-Zehlendorf interessierten Bürger*innen die Teilnahme untersagt.
  • Beim größten Bauprojekt im Bezirk in Lichterfelde Süd setzt Schwarz-Grün auf Geheimabsprachen mit dem Investor und hält bis heute den städtebaulichen Vertrag unter Verschluss. Die wirtschaftlichen Interessen des CDU-Mitglieds und CDU-Großspenders Klaus Groth wiegen hier für CDU und Grüne allem Anschein nach schwerer als die Transparenz gegenüber den Bürger*innen.
  • Erst vor wenigen Wochen wurde das Fragerecht für Bürger*innen von CDU und Grünen eingeschränkt. Ein Rederecht für die Seniorenvertretung in den Ausschüssen der Bezirksverordnetenversammlung verweigert Schwarz-Grün in Steglitz-Zehlendorf.
  • Im Rathaus Zehlendorf gibt es weder im ersten noch im zweiten Stockwerk öffentliche Toiletten. Menschen mit Einschränkungen meiden deswegen zum Teil die BVV- und Ausschusssitzungen.
  • Ein Zugang für Rollstuhlfahrer*innen ins Rathaus Zehlendorf ist seit Jahren extrem umständlich und anstrengend.

Es bleibt festzuhalten, dass CDU und Grüne Maßnahmen verhindern, die Bürger*innen eine Teilnahme an der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf oder eine Nachvollziehbarkeit der dort geleisteten Arbeit erleichtern. Auch die angeblich so bürger*innennahe AfD stimmt stets gegen Bürger*innenbeteiligung und Transparenz.
Zu nennen ist an dieser Stelle leider auch das oft unverschämte und herablassende Verhalten des CDU-Fraktionsvorsitzenden gegenüber Besucher*innen der BVV und des Stadtplanungsausschusses.

Das letzte Wort hier hat erneut Boris Buchholz vom Tagesspiegel. Es wäre höchste Zeit, dass CDU und Grüne wenigstens seinen Ausführungen Gehör schenken, nachdem sie seit Jahren Bürger*innen und Opposition die kalte Schulter zeigen:

„Das lokale Parlament muss arbeiten – und die Bürgerinnen und Bürger müssen daran teilnehmen können.“

 

Links:

Der aktuelle Antrag der FDP-Fraktion zur digitalen BVV  (unterstützt von der Linksfraktion)

Der Antrag von FDP- und Linksfraktion zum Videostream (abgelehnt, 2019)

Antrag auf Veröffentlichung von Audioprotokollen (abgelehnt, 2019)

Erster Antrag von Links- und FDP-Fraktion wegen der defekten Tonanlage im Rathaus Zehlendorf (zurückgezogen wegen Zusage der Reparatur)

Zweiter Antrag von Links- und FDP-Fraktion wegen der defekten Tonanlage im Rathaus Zehlendorf (abgelehnt 3018)

Der Beitrag im Tagesspiegel-Newsletter von Boris Buchholz

Ein Bericht der Berliner Woche