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Hindenburgdamm in Steglitz: Geschäfte leiden massiv unter der Riesen-Baustelle, Bezirksamt handelt nicht

Die rund 70 inhaber*innengeführten Läden am Hindenburgdamm leiden massiv unter dem Baustellenchaos. Die Arbeiten sollen mindestens bis 2026 dauern. Mehrfach haben wir das Bezirksamt aufgefordert, hier im Sinne des Kleingewerbes tätig zu werden. Bisher wurden nur nichtssagende E-Mails der Wirtschaftsförderung verschickt. Und auch nur dann, wenn die Gewerbetreibenden sich dort selbst meldeten! Die Berliner Morgenpost berichtete am 21. Juli über die Situation und unsere Aktivitäten

"Hindenburgdamm Berlin: Geschäfte leiden massiv unter der Riesen-Baustelle

Steglitz-Zehlendorf

Katrin Lange

Vattenfall baut die Fernwärme bis 2026 aus, die Wasserbetriebe verlegen neue Leitungen. Das sind die Auswirkungen auf die Geschäfte.

Berlin.  Es sollte ein Neustart sein: Im Jahr 2020 eröffnete Harshadkumar Khunt sein indisches Restaurant am Hindenburgdamm. Kaum war das Geschäft angelaufen, kam die Coronakrise. Sie bremste ihn als erstes aus. Als es langsam wieder losging und die Gäste bei ihm auf der Außenterrasse sitzen konnten, rollten die Bagger an. Genau vor seiner Tür.

Auch an diesem Mittag dröhnt es durch die Straßenflucht, Presslufthämmer lassen die Tische vibrieren. Trotzdem sitzen einige Gäste draußen im Garten – mit Blick auf die Baustelle. Aber es sind nicht genug. Er habe 40 Prozent weniger Kundschaft seit die Baustelle auf dem Hindenburgdamm ist, erzählt Harshadkumar Khunt. Der Lärm und die Staubwolken seien nur ein Problem. Keiner könne vor seinem Restaurant halten oder parken – auch das führe zu Umsatzeinbußen. Im vergangen Monat Juni habe er 3000 Euro Minus gemacht. Denn die hohe Miete und die gestiegenen Kosten für Strom und Gas liefen weiter.

Der Inhaber des indischen Restaurants ist nur einer der Gewerbetreibenden, die das Büro von Dennis Egginger-Gonzalez (Linke) am Hindenburgdamm aufgesucht haben. „Die Händler beklagen einen massiven Rückgang“, sagt der Bezirksverordnete. Viele würden sich im Sommer einen Puffer mit der Außengastronomie erarbeiten, um den Winter zu überstehen. „Doch das fällt in diesem Jahr aus“, so Egginger-Gonzalez. Er erzählt von dem Antiquitätenladen und der Apotheke, die auf Lieferungen angewiesen sind, auch mit großen Fahrzeugen. Doch keiner könne vor den Geschäften halten.

Ein Ende des Zustandes ist vorerst nicht in Sicht. Drei Jahre Dauerbaustelle, darauf müssen sich die Anlieger am Hindenburgdamm einrichten. Zwar wird die Baustelle abschnittsweise weiterwandern, betroffen vom Lärm und den Sperrungen sind aber immer alle. Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) erneuern auf dem Hindenburgdamm, wie auch gerade in vielen Lichterfelder Kiezen, die Leitungen.

Dazu kommt die Baustelle von Vattenfall. Der Energieversorger verstärkt auf einer Länge von etwa drei Kilometern bis Mitte 2026 das Stadtwärmenetz. Dafür wird eine neue Versorgungsleitung zwischen dem Heizkraftwerk Lichterfelde und dem Händelplatz über die gesamte Länge des Hindenburgdammes gezogen.

Kunde trägt seinen kaputten Bürostuhl auf dem Rücken in den Laden

Um die Auswirkungen möglichst gering zu halten, findet laut Vattenfall eine Koordinierung zwischen den Wasserbetrieben, dem Tiefbauamt Steglitz-Zehlendorf und der Vattenfall Wärme Berlin AG statt. Doch davon haben die Anlieger noch nicht viel mitbekommen.

Am Hindenburgdamm 58a hat Sven Schuld sein Geschäft, in dem er einen Möbelhandel und eine Polsterei betreibt. „Gerade hat ein Kunde seinen kaputten Bürostuhl auf dem Rücken hierhergeschleppt“, erzählt der Einrichtungsberater. Anfangs habe es noch eine Einfahrt zu seinem Geschäft gegeben, jetzt nicht mehr. Mit etwas Glück machten die Bauleute kurzzeitig Platz für private Autos, die meisten würden sich aber nicht trauen, auf das Baustellengelände zu fahren. Denn es sei auch nichts ausgeschildert.

50 Prozent weniger Laufkundschaft – so schätzt Sven Schuld den Rückgang des Geschäfts aufgrund der Baustelle ein. Der Möbelverkauf sei fast bei Null. Mindestens genauso schlimm hat es Ali Koltbüken getroffen. Er betreibt den Döner-Imbiss vor dem Jobcenter am Händelplatz. Sein Stand sei zwischenzeitlich komplett hinter Bauzäunen verschwunden, erzählt der Inhaber. Jetzt komme man zwar von einer Seite wieder ran. „Aber die Kunden sehen nicht, dass geöffnet ist“, sagt Koltbüken. An machen Tagen habe er fast keinen Kunden und damit auch kaum Umsatz.

Der Bezirksverordnete Dennis Egginger Gonzalez hat jetzt Soforthilfen für den Einzelhandel und die 70 inhabergeführten Läden am Hindenburgdamm gefordert. Doch über den Antrag wird erst im September im Verkehrsausschuss von Steglitz-Zehlendorf diskutiert. So lange können die Händler nicht warten. Er hat ihnen deshalb vorgeschlagen, sich an die Wirtschaftsförderung des Bezirks zu wenden.

Nach Auskunft von Michael Pawlik, Leiter der Wirtschaftsförderung, sind drei Anfragen eingegangen und beantwortet. Er bedaure zwar, dass die Händler durch die Baustelle in ihrem Gewerbe beeinträchtigt sind. Aber es handele sich um dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen, so seine Antwort. Für Fragen zu Parkplätze, Einfahrten oder Lieferverkehr sei er nicht zuständig, sondern der Stadtrat Urban Aykal (Grüne).

Stadtrat will nach dem Urlaub mit den Händlern reden

Bei Maßnahmen der Berliner Wasserbetriebe und Vattenfall erteile er lediglich die Sondernutzung, erklärt Aykal, zuständig für Straßen und Grünflächen. Er wolle sich aber nach seinem Urlaub mit den Unternehmen zusammensetzen, um die Kommunikation und die engeren Absprachen mit den Gewerbetreibenden generell bei allen Maßnahmen im Bezirk zu verbessern.

Immerhin soll es einen Krisengewinner geben. Wie Dennis Egginger-Gonzalez bei seinem Rundgang erfahren hat, kann der Inhaber des Fahrradladens hinter der Kirche nicht klagen. Die Bushaltestelle wurde genau vor seine Tür verlegt. Das hatte zur Folge, dass er jetzt endlich im Kiez wahrgenommen werde, freute sich der Inhaber."