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Warum hat die Bezirksverordnetenversammlung in Steglitz-Zehlendorf die Arbeit eingestellt und wie geht es weiter?

Diese Woche sollte die Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf tagen. Die Sitzung wurde von der Mehrheit der Verordneten ersatzlos abgesagt – wie auch bereits die Bezirksverordnetenversammlung im März. Neben der Linksfraktion hat sich nur die FDP eindeutig für eine Fortführung der politischen Arbeit positioniert.

Gestern berichtete der Tagesspiegel Newsletter ausführlich über das Thema. Zuerst zählte Boris Buchholz auf, welche wichtigen Themen nun erneut auf Eis liegen - die Liste kann man hier nachlesen: https://kurzelinks.de/a9w7. Anschließend wurden die verschiedenen Standpunkte der sechs in der BVV vertretenen Fraktionen wiedergegeben (siehe: https://kurzelinks.de/jikh).
 

Wie ist die Position der Linksfraktion und was passiert in anderen Bezirken?
Die Linksfraktion Steglitz-Zehlendorf hat sich für eine BVV-Sitzung im April ausgesprochen. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum dies nicht (unter Beteiligung der Öffentlichkeit und Einhaltung der Hygienevorschriften) möglich sein soll. Eine Lösung könnte eine Sitzung mit reduzierter Teilnehmer*innenzahl sein, bei der aber selbstverständlich die Stimmverhältnisse dem gegebenen Proporz entsprechen müssten. Auch gegen eine öffentliche Videokonferenz hätten wir nichts einzuwenden gehabt. Für diese Varianten aber gab es keine Mehrheiten. Unter anderem wurde behauptet, weder Videokonferenz noch Herstellung einer gewissen Öffentlichkeit seien technisch oder räumlich möglich und machbar. Daran haben wir große Zweifel, da andere Bezirke ja durchaus in der Lage sind, BVV- und Ausschusssitzungen öffentlich stattfinden zu lassen. In Reinickendorf waren z. B. CDU und SPD in der Lage eine öffentliche(!) Informationsveranstaltung per Video-/Telefonkonferenz abzuhalten, bei der das Bezirksamt berichtet. In Pankow wird am 29. April eine BVV-Sitzung stattfinden.

Warum gibt es im Jahr 2020 keinerlei technische Möglichkeiten Sitzungen im Internet zu zeigen?
In Steglitz-Zehlendorf haben CDU und Grüne in der Vergangenheit alle Anträge auf technische Veränderungen wie Livestream (siehe: https://kurzelinks.de/78ln) oder Veröffentlichung von Audiomitschnitten (siehe: https://kurzelinks.de/v8dg) abgelehnt. Mal waren es Persönlichkeitsrechte von Bezirksverordneten, die angeblich verletzt werden könnten, dann die angeblich zu hohen Kosten, die eine Zustimmung bei Schwarz-Grün unmöglich machten. Festzustellen bleibt: Hätten wir – wie einige andere Berliner Bezirke - diese Techniken jetzt, dann wären den vorgebrachten Argumenten, die BVV-Sitzungen müssten ausfallen, weil es keine Möglichkeit gäbe, die Öffentlichkeit zu beteiligen und den notwendigen Abstand einzuhalten, die Grundlagen entzogen.

Was haben wir bisher erreicht?
Wir haben uns dafür stark gemacht, dass zumindest die aus unserer Sicht in Corona-Zeiten höchst relevanten Ausschüsse dringend tagen müssen. Dazu zählen der Jugendhilfeausschuss, der Gesundheitsausschuss, der Ausschuss für Pflege, Soziales und Senioren. Allerdings tagen diese Ausschüsse erst wieder im Mai, was wir problematisch finden. Gerade bei Ausschuss-Sitzungen, in denen ja viel weniger Verordnete zusammen kommen, ist es gar nicht mehr verständlich, weswegen diese überhaupt ausfallen müssen. Zumal da Telefon- oder Videokonferenzen einfach zu realisieren wären. Wir sind der Meinung, dass das den Wähler*innen so nicht zu vermitteln ist.

Was ist denn überhaupt schlimm daran, wenn die BVV und ihre Ausschüsse nicht tagen?
De facto ist es derzeit kaum möglich, das Bezirksamt zu kontrollieren und politisches Handeln anzuregen – das sind aber die zentralen Aufgaben der Bezirksverordnetenversammlung und deswegen muss sie sofort wieder tagen! In den meisten anderen Bezirken gibt es Lösungen, die alle zu mehr Transparenz beitragen und die Möglichkeit der Nachfrage und ggf. Debatte eröffnen. In Friedrichshain-Kreuzberg z. B. tagt der Ältestenrat wöchentlich als Telefonkonferenz unter Beteiligung je eine*r Stadträt*in. Damit sind die Fraktionen wenigstens laufend informiert und können Nachfragen stellen. Unsere Fraktionssitzungen finden übrigens per Telefonkonferenz statt und wir nutzen die einzige Möglichkeit, die uns als Kontrolle des Bezirksamtes bleibt: Wir stellen Schriftliche Anfragen (hier – auf der linken Seite anklicken und dann unten auf "alle anzeigen" drücken – gibt es eine Übersicht der Schriftlichen Anfragen in der BVV Steglitz-Zehlendorf: https://kurzelinks.de/jrir).

Wie sind die Aussichten für eine Sitzung der BVV im Mai?
Eine BVV-Sitzung im Mai muss unbedingt stattfinden! Dazu eine simple Überlegung: Wie sollen wir Bezirkspolitiker*innen es denn den Bürger*innen in Steglitz-Zehlendorf, die jeden Tag wie gewohnt bzw. unter derzeit erschwerten Bedingungen, ihrer Arbeit nachgehen, die Busse und Bahnen benutzen (müssen), um zum Arbeitsplatz zu kommen, die jeden Tag im direkten Kontakt mit anderen Menschen stehen, erklären, dass die BVV im dritten Monat in Folge nicht zusammenkommt und dies mit der Corona-Pandemie begründen?

Wie bereits oben beschrieben, gibt es viele kreative und technische Möglichkeiten wie die BVV-Arbeit wieder aufgenommen werden könnte. Dazu gehört es auch zu prüfen, ob für eine BVV-Sitzung mit physischer Präsenz zur Not eine Turnhalle angemietet werden kann, damit allen Verordneten und der Öffentlichkeit die Chance gegeben wird, daran teilzuhaben.

Wenn mehrheitlich der politische Wille vorhanden ist, die BVV-Arbeit wieder aufzunehmen, dann gibt es dafür Mittel und Wege – andere Bezirke machen es vor!