Warum drei Geistervillen seit Jahren nicht bewohnt sind

Die Berliner Morgenpost berichtet heute über unseren jahrelangen Kampf gegen Leerstand von Wohnungen und Häusern in Steglitz-Zehlendorf

Warum drei Geistervillen seit Jahren nicht bewohnt sind

Berlin. Nicht nur in Lichterfelde West stehen Prachtbauten leer. Auch in anderen Vierteln sind Wohnungen ungenutzt. Das sagt der Bezirk.

Der Eingang ist zugewachsen, die Treppe kaum zu sehen hinter dem Grün. Ein Fahrradschloss hatte das Tor bis vor kurzem noch zugehalten, jetzt ist es herausgebrochen. Dach, Fenster, Fassade, alles kaputt. Seit mehr als fünf Jahren steht die Villa am Weddigenweg 51 leer und verfällt. Ein Skandal, findet der Bezirksverordnete Dennis Egginger-Gonzalez (Linke). Nicht nur weil Eigentum verpflichtet. „In Berlin wird händerringend Wohnraum gesucht“, sagt er. Und in Lichterfelde stehen Villen leer, ungenutzt. Warum? Das wollte er in einer Anfrage vom Bezirksamt wissen.

Bei einem morgendlichen Rundgang duch die Villensiedlung sind Arbeiter gerade dabei, bei der Villa am Weddigenweg vorsichtshalber die Sicherungen im Keller zu ziehen. Sie berichten, dass das Haus nie ausgeräumt wurde. Alles sei vollgemüllt, das Wasser laufe durch das Dach bis in das Erdgeschoss, Kabel hingen lose herum, Decken drohten einzustürzen. „Hier muss unbedingt ein Bauzaun davor“, sagt ein Arbeiter.

Beim Spaziergang ist das leerstehende Haus aufgefallen

Schon vor Jahren hatte Dennis Egginger-Gonzalez im Amt nachgefragt, wie es mit dem Haus weitergehen sollte. Es war ihm beim Spaziergang aufgefallen. Doch zur Antwort erhielt er nur, dass kein Leerstand festgestellt werden konnte, da der Briefkasten geleert wird. Aber das geschieht nun auch schon lange nicht mehr.

Gleich um die Ecke, in der Kommandantenstraße 92, steht die Villa Gertrud, die, wie die meisten Gebäude hier, um 1900 erbaut wurde. Auch dieses Haus verschwindet mittlerweile hinter Wildwuchs, aus einem Fenster wächst eine Birke. Mindestens zehn Jahre ist die Villa leer, meint Egginger-Gonzelaz. 2019 habe man ihm von „glaubhaften Verkaufsbemühungen“ erzählt. Passiert sei nichts. Um das Haus ranken sich nicht nur die Bäume, sondern auch Geschichten. Die einen erzählen, dass ein Bruder der Erben im Krieg geblieben sein soll, andere, dass er im Gefängnis sitzt.

Wieder ein paar Schritte in der Steinäckerstraße 7 ist der nächste Fall. Auf der Veranda steht noch ein Lehnstuhl, in der Schublade vom Tisch liegen Tageszeitungen von 1991. Zuletzt hätten zwei alte Schwestern darin gewohnt, die dann ins Heim gekommen sind, erzählt eine Anwohnerin, die gerade vorbeikommt.

Villa steht unter Schutz und darf nicht abgerissen werden

Jetzt stehe das Haus schon mehr als 20 Jahre leer. Wie in einer Tropfsteinhöhle hätte es ausgesehen, als sie anfangs mal drin war, die Eiszapfen hingen von der Decke. Alles sei kaputt, wahrscheinlich müsse man es bis auf die Grundmauern zurückbauen. Da die Villa unter den Ensembleschutz fällt, kann sie nicht abgerissen werden.

Draußen steht noch „Knothe“ am Klingelschild. Auch hier erzählt man sich verschiedene Geschichten. So zum Beispiel von zwei Erben, die in Südamerika leben und keine Geburtsurkunden vorweisen können. Deshalb soll der Verkauf „nicht abwickelbar“ sein, hat die Anwohnerin erfahren. Doch das sei kein Grund, hier nichts zu tun. „Es fehlt soviel Wohnraum. Wenn solche Häuser dann verfallen, ist das schon krass“, sagt die Lichterfelderin.

Die Villen sind nur drei Beispiele für den Leerstand im Bezirk. Mehrere hundert Wohnungen stehen allein in Steglitz-Zehlendorf leer, schätzt Dennis Egginger-Gonzalez. Seit Jahrzehnten sorgt das Geisterhaus am Hindenburgdamm, Ecke Gardeschützenweg nun schon für Schlagzeilen. Als Dachziegel herunterfielen, musste der Bürgersteig gesichert werden. Regelmäßig berichten Anwohner von Rattenbefall. Auch in der Eisenbahnsiedlung in Lankwitz stünden viele Wohnungen leer, so der Bezirksverordnete. Sie sollten zwar saniert werden, Bewohner der Häuser hätten aber berichtet, dass nichts zu sehen sei.

Seit 2016 kämpft der Bezirksverordente gegen den Leerstand im Bezirk, immer wieder stellt er Anfragen, hakt nach. „Doch es geht an keiner Stelle vorwärts“, sagt Egginger-Gonzalez. Er kritisiert, dass das Bezirksamt nicht alle Mittel ausschöpft, um gegen den Leerstand vorzugehen. „Warum wird kein Druck gemacht, warum werden keine Daumenschrauben angesetzt?“

Bezirk müsste mehr Bußgelder verteilen

Die Straße nicht geräumt, die Hecken nicht geschnitten, Zäune kaputt, Gefahr in Verzug, Müll auf dem Grundstück - mit Bußgeldern müsste man den Leuten das Leben zunächst schwer machen, um dann ein Treuhänderverfahren eröffnen zu können, so der Bezirkspolitiker. Denn die Häuser könnten von Kitas, der Musikschule oder von Familien genutzt werden. Stattdessen würden die Vermögenswerte vor sich hinrotten.

Seit Dezember 2021 ist Tim Richter (CDU) als Bezirksstadtrat zuständig für den Leerstand im Bezirk. Er will ebenfalls, dass zum Beispiel das Geisterhaus am Hindenburgdamm wieder als Wohnraum zur Verfügung steht und der Stillstand der letzten Jahre aufhört. „Der Bezirk hat viel zu lange zu wenig gemacht“, sagt der Stadtrat für Bürgerdienste und Soziales. Im Fall der Villa am Wediggenweg habe er jetzt sofort weitere Sicherungsmaßnahmen angestoßen.

„Bei allen drei Villen sind die Verfahren bereits vor einigen Monaten wieder aufgenommen worden, um eine Klärung der Eigentumsverhältnisse herbeizuführen“, sagt Richter. Was das Geisterhaus am Hindenburgdamm angehe, sei er im Austausch mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Die Gesetze rund um die Zweckentfremdung und das Treuhändermodell müssen nachgeschärft werden“, erklärt der Stadtrat. So käme man nicht weiter, das müssten auch die anderen Bezirke feststellen. Allerdings gebe es auch das Eigentumsrecht. „Das macht die Sache nicht ganz so simpel.“